Knappschaft-Bahn-See | Stellungnahme der KNAPPSCHAFT zum FKG | Knappschaft-Bahn-See

Stel­lung­nah­me der KNAPP­SCHAFT zum Fai­rer-​Kas­sen­wett­be­werb-​Ge­setz (GKV-​FKG)

I. Vor­be­mer­kung

"Die zentrale Aufgabe des RSA ist (…) die Vermeidung von Risikoselektion als eine der Voraussetzun-gen für gleiche Wettbewerbsbedingungen" – so beschreibt der am 9. Oktober 2019 vom Kabinett beschlossene Entwurf zum "Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz" das (Haupt-)Ziel des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (MRSA).

Die KNAPPSCHAFT begrüßt die beabsichtigten Anpassungen in weiten Teilen. Der Gesetzentwurf sieht ein Bündel von Maßnahmen vor, die zur Reduzierung von Risikoselektion beitragen. Insbesondere die Einführung eines Vollmodells und der Regionalkomponente bringen den MRSA seinem Ziel deutlich näher. Hierdurch werden fairere Wettbewerbsbedingungen in der MRSA-Systematik geschaffen. Im Ergebnis kann somit der Wettbewerb um die beste Versorgung der Versicherten auf einer deutlich verbesserten Grundlage fortgesetzt werden.

Der vorangegangene Referentenentwurf zum "Faire-Kassenwahl-Gesetz" vom 25. März 2019 bezog sich hinsichtlich der geplanten Änderungen auf die Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats aus den Jahren 2017 und 2018. Die mit dem Gesetzentwurf zum "Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz" beabsichtigten Anpassungen beruhen im Kern auf dem Referentenentwurf.

Mit der Streichung des vom Wissenschaftlichen Beirat positiv bewerteten Merkmals Erwerbsminderungsgruppe verlässt der Gesetzentwurf jedoch den vom Beirat vorgezeichneten Weg. Das Merkmal ist eine der tragenden Säulen für die Vermeidung von Risikoselektion in der MRSA-Systematik. Die Streichung bedeutet eine Abkehr von der Verteilungsgerechtigkeit.

Die beabsichtigten Änderungen sollen ab dem Ausgleichsjahr 2021 Finanzwirkung entfalten. Abweichend hiervon müssen die Krankenkassen bereits im Jahr 2020 die neuen Obergrenzen für liquides Eigenkapital, die durch das Versichertenentlastungsgesetz eingeführt wurden, berücksichtigen, so dass die Krankenkassen bei der Bemessung des vorzuhaltenden liquiden Kapitals die Wirkungen des Gesetzentwurfs im Jahr 2020 nicht berücksichtigen können.

Ferner sind Regelungen zur Neustrukturierung des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (GKV-SV) und Änderungen im Krankenhausentgeltgesetz geplant. Für die Beratungen im Ausschuss für Gesundheit wurden von den Fraktionen von CDU/CSU und SPD Änderungsanträge zum Arzneimittelsektor eingebracht.

II. Stel­lung­nah­me zum Ge­setz­ent­wurf

Im Folgenden nimmt die KNAPPSCHAFT zu den zentralen Punkten des Gesetzentwurfs sowie den Änderungsanträgen von CDU/CSU und SPD Stellung:

Einführung einer Regionalkomponente

Die KNAPPSCHAFT begrüßt die Einführung einer Regionalkomponente.

Mit der Regionalkomponente werden statistisch signifikante regionale Variablen in den Zuweisungsmechanismus des MRSA einbezogen. Dies bedeutet, dass Krankenkassen für Versicherte in Hochkostenregionen (zum Beispiel in Ballungsräumen) mehr Zuweisungen erhalten als in Regionen mit niedrigeren Durchschnittskosten.

Somit führt eine Regionalkomponente zur Erhöhung der Zuweisungsgenauigkeit im MRSA. Der Abbau von regionaler Über- und Unterdeckung trägt zudem zu einer Reduzierung regionaler Risikoselektion bei. Dadurch wird auch die regionale Wettbewerbsverzerrung bekämpft. Aufgrund dessen hält die KNAPPSCHAFT den sich bei der Erhebung regionaler Daten ergebenden Mehraufwand für gerechtfertigt.

Einführung eines Krankheits-Vollmodells

Die KNAPPSCHAFT begrüßt die Einführung eines Krankheits-Vollmodells.

Das Vollmodell sieht vor, dass die vormals politisch definierte Begrenzung der Krankheitsauswahl von 50 bis 80 Krankheiten entfällt und stattdessen das gesamte Krankheitsspektrum bei den Zuweisungen an die Krankenkassen berücksichtigt wird.

Schon im Jahre 2007 ging der Gesetzgeber davon aus, dass es sich bei der Begrenzung der Krankheitsauswahl auf maximal 80 Krankheiten nur um eine Übergangsphase zur "gleitende[n] Einführung der direkten Morbiditätsorientierung" in der MRSA-Systematik handele (Entwurf GKV-Wettbewerbs-stärkungsgesetz, BT Drs. 755/06, S. 559).

Durch den Wegfall der Begrenzung wird den Zielen des Gesetzgebers Rechnung getragen. Mit Einführung eines Krankheits-Vollmodells wird zukünftig das gesamte Krankheitsspektrum bei den Zuweisungen berücksichtigt, sodass sich die Zuweisungssystematik noch stärker an der tatsächlichen Morbidität der Versicherten orientiert und damit auf der Basis gleicher Wettbewerbsbedingungen das Streben nach einer bestmöglichen Versorgung der Versicherten fördert.

Durch den Wegfall der Begrenzung entfällt die Unterscheidung in MRSA-relevante und nicht MRSA-relevante Diagnosen weitgehend, sodass Anreize zur Risikoselektion vermindert werden.

Zudem führt die Einführung des Vollmodells zu einer deutlichen Reduzierung der Über- und Unterdeckungen und zu einer grundsätzlichen Verbesserung der Kennzahlen (Gütemaße) im Vergleich zum Status quo (vgl. Sondergutachten 2017, S. 279 ff.). Durch die Einführung eines Krankheits-Vollmodells wird also die Zuweisungsgenauigkeit im MRSA deutlich verbessert.

Gleichzeitig wird das RSA-Verfahren vereinfacht, da das aufwendige jährliche Verfahren der Krankheitsauswahl entfallen kann. So kam auch schon der Wissenschaftliche Beirat in seinem Sondergutachten von 2017 (S. XXXIII) zu dem Ergebnis, dass "die begrenzten personellen und zeitlichen Ressourcen innerhalb eines Ausgleichsjahres im Rahmen der Entwicklung und Pflege eines Vollmodells produktiver und zielführender genutzt [werden] als bei einer jährlichen Krankheitsauswahl."

Einführung eines Risikopools

Die KNAPPSCHAFT begrüßt die Schaffung eines Risikopools, da so finanzielle Belastungen, die sich aus den sogenannten Hochkostenfällen ergeben, gemindert werden.

Durch die Schaffung eines Risikopools werden den Krankenkassen für jeden Leistungsfall 80 Prozent der Leistungsausgaben, die über 100.000 Euro pro Jahr hinausgehen, erstattet. Dies gewinnt insbesondere aufgrund der wachsenden Zahl von hochpreisigen Arzneimitteltherapien an Bedeutung.

Für die Krankenkassen erfolgt eine Erstattung der Kosten für solche Arzneimittel und Therapien jedoch mit starken zeitlichen Verzögerungen. Durch die geringeren Folgekosten sinken auch die Zuweisungen für die entsprechenden Krankheiten im MRSA. Ohne den Risikopool ist es für die Krankenkassen schwierig, ihre Kosten für die hochpreisigen Arzneimittel und Therapien zu decken. Im Rahmen dieser Konstellation könnte es zu Risikoselektionsanreizen gegenüber sogenannten Hochkostenpatienten kommen.

Daher unterstützt die KNAPPSCHAFT die Einführung eines Risikopools. Zudem bleiben Wirtschaftlichkeitsanreize weiterhin bestehen, da nicht die gesamten Leistungsausgaben oberhalb von 100.000 Euro pro Jahr ausgeglichen werden.

Streichung der Erwerbsminderungsgruppe

Die KNAPPSCHAFT lehnt – ebenso wie der Wissenschaftliche Beirat – die ersatzlose Streichung der Erwerbsminderungsgruppe aus der MRSA-Systematik ab.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass das Kriterium der Erwerbsminderungsrente im MRSA nicht mehr als Risikomerkmal verwendet wird. Begründet wird dies damit, dass einige Personengruppen wie Rentnerinnen und Rentner, Nichterwerbstätige und Selbständige dieses Kriterium per se nicht erhalten können, selbst wenn ein identischer Schweregrad der Erkrankung vorliegt wie bei Erwerbsminderung. Durch die Streichung würde eine Gleichbehandlung ermöglicht und Wettbewerbsverzerrungen beseitigt.

Dem ist die Argumentation des Wissenschaftlichen Beirates entgegenzuhalten, der nachdrücklich von der ersatzlosen Streichung des Erwerbsminderungsmerkmals abgeraten hat (Sondergutachten 2017, S. XXXIII). Zu dieser Empfehlung kommt der Wissenschaftliche Beirat aufgrund folgender Überlegungen:

  • Die Streichung des Merkmals führt für die Krankenkassen pro Erwerbsminderungsrentner zu einer vorhersagbaren Unterdeckung in Höhe von 1.100 Euro (Sondergutachten 2017, S. 357).
  • Die Streichung des Kriteriums führt im MRSA-System zu einer Fehlverteilung in Höhe von 116 Mio. Euro (Sondergutachten 2017, S. 357).
  • Bei einer Umverteilung der Zuschläge aus den Erwerbsminderungsgruppen kommt es im Ergebnis auch zu einer Absenkung der Zuweisungen bei den Alters- und Geschlechtsgruppen. Durch die Absenkung werden somit auch Gruppen negativ betroffen, die derzeit keinerlei Berührungspunkte zum Erwerbsminderungsmerkmal aufweisen (Sondergutachten 2017, S. 358).
  • Zudem führt die Streichung des Kriteriums dazu, dass bei rund 75 Prozent der Versicherten mit Erwerbsminderungsstatus die Krankenkassen schlechter gestellt werden als im Status quo (Sondergutachten 2017, S. 360).

Im Ergebnis führt die Streichung des Kriteriums der Erwerbsminderung zu hohen Risikoselektionsanreizen gegenüber Erwerbsminderungsrentnern und wirkt wettbewerbsverzerrend.

Ferner stellt das Merkmal der Erwerbsminderung ein manipulationssicheres Differenzierungskriterium dar, weil es durch die gesetzliche Rentenversicherung festgestellt wird.

Kritiker des Kriteriums führen an, dass die Erwerbsminderung "ein sog. Surrogatparameter – also eine Ersatzgröße – einer indirekten Morbiditätsmessung ist, der in den Zeiten der direkten Morbiditätsorientierung seine Berechtigung verloren hat." (vgl. Sondergutachten 2017, S. 351 m.w.N.) Auch dieser Argumentation erteilt der Wissenschaftliche Beirat eine klare Absage. Er führt aus, "dass das Klassifikationssystem an vielen Stellen Surrogate verwendet, weil keine näheren Informationen zur Verfügung stehen" (Sondergutachten 2017, S. 351). So sind zum Beispiel Alter und Geschlecht sowie auch jede Diagnose Surrogate dafür, dass mit diesen Merkmalen im Folgejahr ein bestimmtes Kostenrisiko einhergeht.

Versichertenindividuelle Berücksichtigung von Arzneimittelrabatten

Gegenwärtig werden Arzneimittelrabatte mit einem durchschnittlichen Arzneimittelrabattfaktor je Krankenkasse bei den Zuweisungen berücksichtigt. Durch die geplante Änderung sollen die Arzneimittelrabatte versichertenbezogen in den Datenmeldungen zum MRSA erfasst werden. Somit fließen die tatsächlichen Arzneimittelausgaben in die Berechnung der Zuweisungen ein. Für die Krankenkassen entsteht durch die differenzierteren Datenmeldungen (versichertenbezogene Erfassung der Rabatte) ein hoher Aufwand.

Diesen Aufwand hält die KNAPPSCHAFT aber zugunsten einer größeren Zielgenauigkeit des MRSA für gerechtfertigt.

Stärkung von Präventionsanreizen durch den MRSA

Grundsätzlich begrüßt die KNAPPSCHAFT die Stärkung der Präventionsanreize.

Durch die Einführung einer Vorsorge-Pauschale soll die Präventionsorientierung des MRSA gestärkt werden. Daher erhalten Krankenkassen für die Inanspruchnahme von bestimmten Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen durch ihre Versicherten eine Pauschale. Um die unterschiedlichen Kosten der verschiedenen Vorsorgeleistungen abzubilden, gruppiert das Bundesversicherungsamt (BVA) die Präventionsleistungen entsprechend ihrer Kosten.

Kritisch sieht die KNAPPSCHAFT allerdings, dass die Vorsorge-Pauschale durch Mittel innerhalb des MRSA finanziert werden soll. Aufgrund der ungleichen Versichertenstruktur unterscheiden sich die Krankenkassen zum Teil erheblich hinsichtlich des Anteils der Versicherten, denen überhaupt Prävention angeboten werden kann. Durch die geplante Finanzierung innerhalb des MRSA käme es zu einer Absenkung der übrigen Zuweisungen. Im Ergebnis führt dies zu einer Verringerung der Zuweisungsgenauigkeit. Auch der Wissenschaftliche Beirat lehnt in seinem Sondergutachten von 2017 eine Finan-zierung innerhalb des MRSA ab.

Stärkung der Manipulationsresistenz des MRSA

Die KNAPPSCHAFT begrüßt die Stärkung der Manipulationsresistenz des MRSA. Hierdurch werden gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Krankenkassen geschaffen. Die hier vorgeschlagene Manipulationsbremse wirft allerdings einige Fragen auf.

Die geplante Manipulationsbremse sieht vor, dass die hierarchisierten Morbiditätsgruppen (HMGs), die eine festgesetzte Steigerungsrate überschreiten, im MRSA-Jahresausgleich auszuschließen sind. Im Ergebnis erhalten alle Krankenkassen für diese HMGs keine Zuweisungen. Kritisch sieht die KNAPPSCHAFT, dass die HMGs mit den höchsten Zuweisungsvolumina ausgeschlossen werden sollen. Die Manipulationsbremse sollte der Begrenzung von manipulativen HMG-Steigerungen dienen. Sachlogisch wäre daher ein Ausschluss der HMGs mit der höchsten Veränderungsrate.

Zudem besteht die Gefahr, dass sich durch das Fehlverhalten einzelner Krankenkassen negative Aus-wirkungen auf die Gesamtheit aller Krankenkassen ergeben. Sofern eine Krankenkasse mit einem größeren Marktanteil manipuliert und daraufhin eine HMG über die Manipulationsbremse ausgeschlossen wird, geht dies auch zu Lasten der Krankenkassen, die sich wettbewerbskonform verhalten. Auch diese Krankenkassen würden für die ausgeschlossene HMG keine adäquaten Zuweisungen erhalten.

Zudem wird durch den Ausschluss einzelner HMGs faktisch das RSA-relevante Morbiditätsspektrum verringert.

Ähnlich wie der GKV-SV regt daher die KNAPPSCHAFT eine Begutachtung der Manipulationsbremse durch den Wissenschaftlichen Beirat an.

Einführung der regelmäßigen Evaluation durch den Wissenschaftlichen Beirat

Die KNAPPSCHAFT begrüßt diese Regelung, da so eine stetige Weiterentwicklung des MRSA gewährleistet wird.

Der Wissenschaftliche Beirat wird gesetzlich beauftragt, mindestens alle vier Jahre eine Evaluation des MRSA durchzuführen, um möglichen Weiterentwicklungsbedarf zu ermitteln. Hierbei sind insbesondere auch die Manipulationsresistenz des MRSA und dessen Wirkungen auf den Wettbewerb der Krankenkassen zu untersuchen. Zusätzlich kann der Beirat auch anlassbezogen mit Einzelfragen durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und das BVA beauftragt werden.

Im Rahmen der Weiterentwicklung des MRSA ist auch die im Gesetzentwurf angelegte Untersuchung zur Einführung des sogenannten Hausarzt/Facharzt HMG-Modells zu nennen, dessen Einführung die KNAPPSCHAFT kritisch sieht. Dieses Modell sieht vor, dass die Diagnosen von Haus- und Fachärzten zu unterschiedlich hohen Zuweisungen führen sollen. Damit ist zu befürchten, dass der hausärztlichen Kodierung ein möglicherweise geringerer Stellenwert beigemessen wird. Dies stellt einen Verstoß gegen das Gebot der Versorgungsneutralität des MRSA dar. Zudem werden Maßnahmen zur Wirtschaftlichkeit konterkariert. Einigen Krankenkassen ist es bereits gelungen, über die Stärkung der hausärztli-chen Versorgung unnötige Facharztbesuche zu reduzieren. Diese Krankenkassen müssten mit finanziellen Einbußen rechnen und ihre haus- und fachärztliche Versorgung überdenken.

Regelungen zum Aufsichtshandeln

Die über die letzten Monate politisch viel diskutierte "bundesweite Öffnung der AOK" hatte ein wesentliches Ziel: Die Schaffung einer einheitlichen Bundesaufsicht für alle Kassen. Diese Änderung fand keinen Eingang in den Gesetzentwurf.

Der Entwurf zum "Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz" sieht stattdessen Regelungen zur Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden von Bund und Ländern vor. Danach sollen diese mindestens zweimal jährlich zu einem Austausch zusammenkommen. Dieser Austausch bezieht sich nicht nur auf einen reinen Erfahrungsaustausch, sondern soll auch zu einer Verständigung über bestimmte Rechtsfragen bei der aufsichtsrechtlichen Handhabung beitragen.

Die vorgesehenen Regelungen hinsichtlich einer Vereinheitlichung der Aufsichtsmaßstäbe auf Bundes- und Landesebene sieht die KNAPPSCHAFT als "Schritt in die richtige Richtung". Jedoch sind die getroffenen Maßnahmen nicht ausreichend, um ein einheitliches Handeln der Aufsichten von Bund und Ländern zu gewährleisten.

Neue Governance-Struktur des GKV-SV

Der Gesetzentwurf sieht die Bildung eines Lenkungs- und Koordinierungsausschusses (LKA) beim GKV-SV vor. Ihm sollen je ein weibliches und ein männliches hauptamtliches Vorstandsmitglied der Orts-, Ersatz-, Betriebs- und Innungskrankenkassen sowie je ein Geschäftsführungsmitglied der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See und der landwirtschaftlichen Krankenkasse angehören. Diese werden von den Mitgliedern des Verwaltungsrates der jeweiligen Kassenart im GKV-SV gewählt.

Versorgungsbezogene Entscheidungen des Vorstandes des GKV SV zu Verträgen sowie Richtlinien und Rahmenvorgaben oder vergleichbare Entscheidungen bedürfen künftig grundsätzlich der Zustimmung des LKA. Zu sonstigen Entscheidungen des Vorstandes kann der LKA Stellungnahmen abgeben. Vertreter des LKA können an Sitzungen gesetzlicher Gremien, denen der Vorstand des GKV-SV angehört, teilnehmen. Der LKA kann zu Themen, die in die Zuständigkeit des Verwaltungsrates des GKV-SV fallen, vor Beschlussfassungen Stellungnahmen abgeben. Die Mitglieder des LKA sind berechtigt, an nicht-öffentlichen Sitzungen des Verwaltungsrates des GKV-SV teilzunehmen.

Der Gesetzgeber wollte mit der Errichtung des GKV-SV für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung sachgerechte und zügige Entscheidungen im Interesse des Gesamtsystems GKV ermöglichen. Die vorgesehene Neuregelung führt dazu, dass die Verantwortlichkeiten für die Entscheidungen des GKV-SV auf der operativen, aber auch auf der Ebene von grundsätzlicher Bedeutung nicht mehr klar und eindeutig zwischen Hauptamt und Selbstverwaltung abgegrenzt wären – letztlich wird sogar ein Veto-Recht des LKA gegen Entscheidungen des Verwaltungsrates implementiert. Damit ist ein widerspruchsfreies Handeln des GKV-SV nicht durchgängig gewährleistet. Die vorgesehene Neuregelung wird daher von der KNAPPSCHAFT in dieser Form abgelehnt.

Sofern der Gesetzgeber an seiner Intention zur Einrichtung eines LKA festhält, sollte dieser die Aufgabe der Beratung des Vorstandes erhalten und daher konsequenter Weise umbenannt werden zum Beratungs- und Koordinierungsausschuss (BKA). Um eine gute Funktionalität zu erreichen, sollte der BKA um jeweils ein Vorstandsmitglied der Kassenartenverbände erweitert werden. Auf den Kompromissvorschlag in der Stellungnahme des GKV-SV wird verwiesen.

Rechnungszuschlag für Krankenhäuser

Die KNAPPSCHAFT lehnt diese Regelung ab. Das Krankenhausfinanzierungsrecht sieht bereits zahlreiche, aus Sicht der KNAPPSCHAFT mehr als ausreichende Mechanismen zur Abbildung von Kostensteigerungen, welchen die Krankenhäuser unterliegen, vor.

Bekämpfung von Lieferengpässen bei Arzneimitteln

Die KNAPPSCHAFT begrüßt die geplanten Regelungen. Sie sind geeignet, drohenden und bestehenden Lieferengpässen entgegenzuwirken. Lediglich der Vorschlag, dass die Apotheken im Falle einer Lieferunfähigkeit nach Ablauf von 24 Stunden ein anderes wirkstoffgleiches, auch nicht rabattiertes Arzneimittel abgeben dürfen, wird als obsolet abgelehnt. Der zwischen dem GKV-SV und dem Deutschen Apothekerverband abgeschlossene Rahmenvertrag gemäß § 129 Absatz 2 SGB V sieht bereits jetzt eine Regelung vor, die bei Nicht-Verfügbarkeit eines rabattierten Arzneimittels sicherstellt, dass die Patienten mit einem austauschbaren Arzneimittel versorgt werden.

Quartalsmeldungen Pflegepersonaluntergrenzen

Die zusätzliche Informationsverpflichtung in Richtung der Krankenkassen ist zu begrüßen und entspricht dem Wunsch der GKV.

Weiterführung Modellvorhaben zur Versorgung psychisch Kranker

Die Möglichkeit, Modellvorhaben nach § 64b SGB V auf maximal 15 Jahre zu verlängern, wird begrüßt.

Die Vertragsparteien auf Ortsebene stehen so wegen des um sieben Jahre verlängerten Erprobungszeitraumes (neues Enddatum: 31. Juli 2027 unter Zugrundelegung des frühestmöglichen Beginns eines Modellvorhabens nach § 64b SGB V) nicht unter Zugzwang und können die endgültigen Ergebnisse der bundesweiten Evaluation (Abschlussbericht im Jahr 2025) bei einer weiteren Fortführung, Beendigung oder Überführung des Modellvorhabens in die Regelversorgung mit einbeziehen.

III. Än­de­rungs­be­darf zu ein­zel­nen Vor­schrif­ten

Artikel 5 (Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)
Nr. 20 c)
§ 266 Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds (Risikostrukturausgleich), Verordnungsermächtigung

A) Beabsichtigte Neuregelung

Ziel der Neuregelung ist es, die gesetzlichen Vorgaben zum RSA in den §§ 266 bis 268 SGB V un-ter Aufhebung gegenstandslos gewordener Regelungen neu zu strukturieren und die Terminologie zu vereinheitlichen. Dabei regelt § 266 Absatz 2 SGB V n.F. die Zuordnung der Versicherten zu den Risikogruppen anhand derer Zuweisungen im MRSA gewährt werden. Die Neuregelung sieht dabei keine Zuweisung für das Merkmal der Erwerbsminderungsgruppe vor.

B) Stellungnahme

Die KNAPPSCHAFT lehnt die Streichung der Erwerbsminderungsgruppe ab und folgt dabei der Argumentation des Wissenschaftlichen Beirates.
Im Ergebnis führt die Streichung des Kriteriums der Erwerbsminderung zu hohen Risikoselektionsanreizen gegenüber Erwerbsminderungsrentnern und wirkt wettbewerbsverzerrend.

C) Änderungsvorschlag

§ 266 Absatz 2 SGB V n.F. wird wie folgt gefasst:
"Die Zuordnung der Versicherten zu Risikogruppen erfolgt anhand der Risikomerkmale Alter, Geschlecht, Morbidität, regionalen Merkmalen und danach, ob die Mitglieder Anspruch auf Krankengeld oder Erwerbsminderungsrente haben. (...)."

Artikel 5 (Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)
Nr. 23 d)
§ 270 Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds für sonstige Ausgaben

A) Beabsichtigte Neuregelung

Durch die Einführung einer Vorsorge-Pauschale soll die Präventionsorientierung des MRSA ge-stärkt werden. Daher erhalten Krankenkassen für die Inanspruchnahme von bestimmten Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen durch ihre Versicherten eine Pauschale. Um die unterschiedlichen Kosten der verschiedenen Vorsorgeleistungen abzubilden, legt das BVA verschiedene Gruppen von Leistungen entsprechend deren Kosten fest.

B) Stellungnahme

Grundsätzlich begrüßt die KNAPPSCHAFT die Stärkung der Prävention. Kritisch sieht die KNAPPSCHAFT jedoch, dass die Vorsorge-Pauschale durch Mittel innerhalb des MRSA finanziert werden soll. Aufgrund der ungleichen Versichertenstruktur unterscheiden sich die Krankenkassen zum Teil erheblich hinsichtlich des Anteils derjenigen Versicherten, denen überhaupt Prävention angeboten werden kann. Durch die geplante Finanzierung innerhalb des MRSA käme es zu einer Absenkung der übrigen Zuweisungen. Im Ergebnis führt dies zu einer Verwerfung in der Zuweisungsgenauigkeit. Dies widerspricht auch dem Vorschlag des Wissenschaftlichen Beirats aus dem Sondergutachten von 2017, der ebenfalls eine Finanzierung innerhalb des MRSA ablehnt.

C) Änderungsvorschlag

Der neue § 270 Absatz 4 SGB V wird gestrichen.

Artikel 5 (Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch)
Nr. 34
§ 318 Übergangsregelung für die knappschaftliche Krankenversicherung

A) Beabsichtigte Neuregelung

In einem Regel-Ausnahme-Geflecht bestimmen derzeit die § 318 SGB V und § 37 Absatz 3 RSAV, dass die knappschaftliche Krankenversicherung Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds für Verwaltungskosten grundsätzlich nur in Höhe der durchschnittlichen Verwaltungskosten aller Krankenkassen erhält; eine risikoadjustierte Zuweisung eines Teilbetrages ist danach nicht vorgesehen. Nur wenn die KNAPPSCHAFT die Verwaltungsausgaben im Haushalt und in der Rechnungslegung in der Gliederung des Kontenrahmens ausweist, wird sie wie jede andere Krankenkasse im Hinblick auf eine risikoadjustierte Zuweisung behandelt. Hierbei ist dies an die formale Bedingung geknüpft, dass das BVA auf der Grundlage eines ausreichenden Nachweises der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See im Zuge der Haushaltsaufstellung und der Rechnungslegung jeweils feststellt, dass die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See eine entsprechende Ausweisung sachgerecht durchgeführt hat. Nunmehr ist vor dem Hintergrund, dass die KNAPPSCHAFT ihre Verpflichtung bisher vollumfänglich einhält, zum Bürokratieabbau beabsichtigt, auf eine Befassung des BVA im Zuge der Haushaltsaufstellung zu verzichten. Es wird eine Prüfung im Rahmen der Rechnungslegung als ausreichend angesehen.

B) Stellungnahme

Die beabsichtigte Regelung verzichtet auf die Möglichkeit eines weiteren Bürokratieabbaus. Sinn und Zweck der Regelungen von § 318 SGB V und § 37 RSAV ist, Verwaltungskostentransparenz im Bereich der Krankenversicherung für den Verbundversicherungsträger Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See zu erreichen. Für das BVA könnte ein weiterer Bürokratieabbau erreicht werden, wenn die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See verpflichtet wird, die Verwaltungskosten der knappschaftlichen Krankenversicherung in ihrem Haushaltsplan und bei der Rechnungslegung in der Gliederung des Kontenrahmens der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung auszuweisen.
Eine Prüfung der sachgerechten Aufteilung übernimmt ohnehin das BVA im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nach § 71 Absatz 2 SGB IV. Da die Gliederung der Haushaltsrechnung der Haushaltsplanung zu folgen hat (§ 28 Absatz 1 SVHV), bedarf es lediglich einer Ergänzung des § 71 Absatz 2 SGB IV.

C) Änderungsvorschlag

(1) § 71 Absatz 2 SGB IV wird folgender Satz angefügt:
"Die Verwaltungsausgaben der knappschaftlichen Krankenversicherung sind in dem Haushaltsplan getrennt auszuweisen."
(2) § 318 SGB V wird gestrichen.
(3) § 13 Absatz 2 RSAV n.F. wird gestrichen.

Artikel 6 (Änderung der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung)
Nr. 3
§ 2 Risikogruppen

A) Beabsichtigte Neuregelung

Der neue § 2 regelt die Zuordnung der Risikogruppen als Konkretisierung des neuen § 266 Ab-satz 2 SGB V. Dafür wurden die bisherigen §§ 2 und 29 unter Streichung gegenstandsloser Vorgaben zusammengeführt. Unter anderem ist eine gesonderte Risikogruppe für das Risikomerkmal Erwerbsminderung entsprechend dem neuen § 266 Absatz 2 SGB V nicht mehr bestimmt. Zudem wird die Terminologie entsprechend der Änderungen im neuen § 266 SGB V angepasst.

B) Stellungnahme

Die KNAPPSCHAFT lehnt die Neufassung des § 2 RSAV als logische Folgeänderung des § 266 SGB V n.F. ab. Die Streichung der Erwerbsminderungsgruppe führt im Ergebnis zu hohen Risikoselektionsanreizen gegenüber Erwerbsminderungsrentnern und wirkt wettbewerbsverzerrend. Mit Blick auf die Argumentation wird auf obige Ausführungen verwiesen.

C) Änderungsvorschlag

§ 2 Absatz 1 Satz 2 RSAV n.F. wird wie folgt geändert:
"Der Zuordnung der Versicherten zu Risikogruppen sind folgende Risikomerkmale zu Grunde zu legen:
1. (…),
6. das Vorliegen eines Anspruchs auf Rente wegen (teilweiser) Erwerbsminderung nach den §§ 43 und 45 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch.

Artikel 6 (Änderung der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung)
Nr. 23
§ 27 Übergangsregelungen

A) Beabsichtigte Neuregelung

Der neue § 27 stellt klar, dass gemäß der Vorgabe des neuen § 266 Absatz 11 Satz 1 SGB V für die Ausgleichsjahre 2019 und 2020 weiterhin eine gesonderte Risikogruppe für Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit nach den §§ 43 und 45 SGB VI gemindert ist, gebildet wird und die Krankheitsauswahl nach dem bisherigen § 268 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 SGB V erfolgt.

B) Stellungnahme

Diese klarstellende Übergangsregelung ist im Hinblick auf die aus unserer Sicht notwendige Beibehaltung des Erwerbsminderungsmerkmals in § 266 SGB V n.F. und § 2 RSAV n.F. ersatzlos zu streichen.

C) Änderungsvorschlag

§ 27 RSAV n.F. wird gestrichen.

IV. Er­gän­zen­der Än­de­rungs­be­darf / Sons­ti­ges

Versichertenindividuelle Erhebung der Regionalkomponente

Der Wissenschaftliche Beirat hat im Regionalgutachten kritisch angemerkt, dass die Bestandteile der Regionalkomponente mangels Datengrundlagen lediglich regionalstatistisch und nicht versichertenindividuell berücksichtigt werden. Hierdurch ergibt sich verglichen mit dem Verfahren im Status quo ein Systembruch im MRSA. Dieser folgt dem Gebot der versichertenbezogenen Berücksichtigung der Ausgleichsmerkmale.

Durch die nicht versichertenindividuelle Erhebung der Datengrundlage wird zudem die Erklärungskraft der Regionalkomponente signifikant gemindert. So liefern zum Beispiel die zusammenfassenden Datengrundlagen im Hinblick auf Wohnorte und Versichertengruppen keine zusätzliche Erklärungskraft für die individuelle Ausgabenvariation in den verschiedenen Regionen.

Zu Beginn der Einführung der Regionalkomponente lässt sich ein derartiger systematischer Bruch nicht umgehen, da deren Merkmale, die zur Erklärung der verbleibenden Über‐ und Unterdeckungen auf regionaler Ebene beitragen, gegenwärtig noch nicht versichertenbezogen erhoben und an das BVA gemeldet werden können.

Die KNAPPSCHAFT regt daher an, der bisherigen Systematik des MRSA folgend, dass die erforderlichen Daten zukünftig soweit wie möglich versichertenindividuell erhoben werden bzw. zeitnah die hierfür erforderlichen rechtlichen Grundlagen geschaffen werden, damit das Gebot der versichertenbezogenen Berücksichtigung der Ausgleichsmerkmale gewahrt wird.

Berücksichtigung sozioökonomischer Faktoren: Pflegebedürftigkeit und Härtefälle nach § 62 SGB V

Die Zielsetzung des MRSA ist ein stärkerer und chancengleicher Wettbewerb zwischen den Krankenkassen für eine effiziente gesundheitliche Versorgung der Versicherten. Neben diesen Faktoren, die zur Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen dringend erforderlich sind, gilt es auch soziodemografische Unterschiede der Versichertengruppen auszugleichen.

Deutlich wird die Notwendigkeit, derartige soziodemografische Unterschiede zu berücksichtigen, bei der Frage, ob ein Versicherter Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung erhält oder nicht. Bei den Pflegebedürftigen handelt es sich um eine Versichertengruppe, die im gegenwärtigen MRSA unterdeckt ist. Durch die ungleiche Verteilung dieser Gruppe unter den einzelnen Krankenkassen kommt es zu gravierenden Wettbewerbsverzerrungen. Im holländischen und im belgischen RSA wird die Pflegebedürftigkeit berücksichtigt. Die KNAPPSCHAFT fordert deshalb die Berücksichtigung dieser Versichertengruppe im MRSA.

Sogenannte Härtefälle nach § 62 SGB V sind um 12 Prozent unterdeckt. Verursacht wird dies auch durch den doppelten Festzuschuss bei Zahnersatz nach § 55 SGB V, der im MRSA nicht entsprechend ausgeglichen wird. Durch die ungleiche Verteilung der Härtefälle in der GKV entstehen Wettbewerbsverzerrungen. Die KNAPPSCHAFT fordert deshalb die Berücksichtigung von Härtefällen im MRSA.

Bereitstellung einer GKV-Stichprobe zur Erhöhung der Transparenz

Im gegenwärtigen MRSA-Verfahren stehen nur dem BVA und dem GKV-SV vollständige GKV-Daten zur Verfügung. Auswirkungen von Reformvorschlägen auf die Mechanismen des MRSA können daher gegenwärtig von den Krankenkassen nicht im Detail nachvollzogen und bewertet werden. Ferner können sich die Krankenkassen auch nur im eingeschränkten Maße am Weiterentwicklungsprozess des MRSA beteiligen. Große, bundesweit geöffnete Krankenkassen können mit ihren umfassenden Versichertendaten den GKV-Durchschnitt näherungsweise nachbilden und genießen kleineren Krankenkassen gegenüber einen Wettbewerbsvorteil. Die KNAPPSCHAFT fordert deshalb die Bereitstellung einer GKV-repräsentativen Stichprobe durch das BVA für alle Krankenkassen. Dies fördert die Transparenz und Wettbewerbsgleichheit in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Vorbild Niederlande: "Policy cycle" und "Working group"

Der niederländische RSA sieht im Rahmen des sogenannten "policy circle" eine regelmäßige Weiterentwicklung durch eine "working group" vor. Die "working group" besteht aus Mitgliedern des Gesundheitsministeriums, der Krankenkassen, von Gesundheitseinrichtungen sowie Mitgliedern des niederländischen Spitzenverbandes der Krankenkassen und von wissenschaftlichen Instituten. Aufgabe der "working group" ist es, das Gesundheitsministerium hinsichtlich der Weiterentwicklung des RSA zu beraten, Forschungsprojekte zur Weiterentwicklung des RSA zu überwachen und die Variablen zum Ausgleich der Risikostruktur zu verwalten und weiterzuentwickeln. In Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Instituten werden dem Parlament so Vorschläge zur Weiterentwicklung des RSA unterbreitet.

Neben der "working group" gibt es auch Gruppen, die zum Beispiel mit der Datenmeldung beschäftigt sind.

Es ist gängige Praxis, dass sich die Krankenkassen regelmäßig über die Systematik des MRSA, seine Wirkungsweise und Auswirkungen auf die einzelnen Krankenkassen austauschen. Dieser Austausch wird zumeist indirekt im Rahmen anderer Veranstaltungen geführt.

Auch in Deutschland sollte es aus der Sicht der KNAPPSCHAFT eine "working group" in Anlehnung an das niederländische Modell geben. Teilnehmer einer solchen "working group" wären dann Vertreter des Wissenschaftliche Beirats, des BMG und BVA, der Krankenkassen, von Gesundheitseinrichtungen so-wie Vertreter des GKV-SV.

Die "working group" dient einer klaren Trennung zwischen der "alltäglichen" Arbeit zum MRSA (Daten-meldung, Satzarten etc.) und der Diskussion um dessen politische Weiterentwicklung.

Geltung des verhandelten Erstattungsbetrages für Arzneimittel ab dem 1. Tag des Inverkehrbringens

Gemäß § 130b Absatz 3a SGB V gilt der zwischen dem Pharmaunternehmen und dem GKV-SV vereinbarte Erstattungsbetrag ab dem 13. Monat nach dem erstmaligen Inverkehrbringen eines Arzneimittels mit dem Wirkstoff. Die aktuelle Situation um die unkontrollierte Versorgung mit dem in Europa nicht zugelassenen Arzneimittel Zolgensma®, das Kosten von ca. zwei Millionen Euro pro Patient verursacht, zeigt, dass die aktuellen Regularien nicht ausreichend sind. Gerade bei sehr seltenen Erkrankungen, wie z. B. der spinalen Muskelatrophie im Falle von Zolgensma®, kann es vorkommen, dass bereits in den ersten 12 Monaten nach Inverkehrbringen ein wesentlicher Teil des Patientenklientels behandelt wird. Letzteres verstärkt sich noch, wenn ein Teil der in Betracht kommenden Patienten sogar, wie aktuell bei Zolgensma® zu sehen, schon vor der Zulassung und dem eigentlichen Inverkehrbringen behandelt werden. Daher sollte der zwischen dem Pharmaunternehmen und dem GKV-SV vereinbarte Erstattungsbetrag rückwirkend ab dem 1. Tag des Inverkehrbringens gelten.