Ge­sund­heits­po­li­ti­sche Ver­an­stal­tung der B 52-​Ver­bän­de­ko­ope­ra­ti­on zur Bun­des­tags­wahl

Die im Herbst anstehende Bundestagswahl verspricht eine der spannendsten Wahlen um das Kanzleramt seit Langem zu werden. Die Gesundheitspolitik und die Herausforderungen der Corona-Krise werden zu den zentralen Themen im Wahlkampf gehören. Unter dem Titel „Gesundheitspolitik vor der Bundestagswahl: Kassen unter Finanzierungsdruck – Zeit für Reformen im Gesundheitswesen“ lud die B 52-Verbändekooperation Baden-Württemberg, die sich aus dem BKK Landesverband Süd, der IKK classic, dem Verband der Ersatzkassen Baden-Württemberg vdek und der KNAPPSCHAFT zusammensetzt, am 21.07.2021 zu einer gesundheitspolitischen Veranstaltung im Livestream ein.

Die Krankenkassen und ihre Verbände forderten dabei finanzielle Planungssicherheit und Strukturveränderungen im Gesundheitswesen. Denn der finanzielle Druck auf die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) steigt, im Jahr 2020 verzeichneten sie mit 2,7 Milliarden Euro das höchste Defizit seit fast 20 Jahren – zurückzuführen auf Mehrausgaben durch die Corona-Pandemie, aber auch und vor allem durch die kostenintensive Gesetzgebung der laufenden Legislaturperiode, wie Kai Swoboda von der B 52-Verbändekooperation in seiner Analyse betonte. Dem prognostizierten Defizit der GKV im laufenden Jahr wurde durch Zugriff auf die Rücklagen der Kassen, eine Erhöhung des durchschnittlichen Zusatzbeitrages auf 1,3% und einen erhöhten Bundeszuschuss begegnet. „Für die erwartete Finanzlücke der GKV im kommenden Jahr von mindestens 17 Milliarden Euro stehen den Krankenkassen aber keine Rücklagen mehr zur Verfügung und der bislang vereinbarte Bundeszuschuss von 7 Milliarden Euro reicht bei weitem nicht aus, die Lücke zu schließen“, so Swoboda. „Daher ist es richtig, dass sich die Bundesregierung noch vor der Bundestagswahl mit der Frage der Erhöhung des Bundeszuschusses befasst, um die Beitragssätze zu stabilisieren und die Leistungsfähigkeit der GKV nicht zu gefährden.“

Professor Jonas Schreyögg, Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, schlug zur Stabilisierung der GKV-Finanzierung eine Ausweitung der Beitragsbemessung vor, bei der nicht nur die Bemessungsgrenze erhöht, sondern beispielsweise auch Kapitalerträge herangezogen würden. Auch ein weiterer Bundeszuschuss aus Steuergeldern sei eine zusätzliche Option. Gleichzeitig forderte der Wissenschaftler tiefgreifende Strukturreformen im Gesundheitswesen, die zwar anfangs zusätzlich Geld kosten, das sich aber schnell amortisieren würde. So nannte er im Bereich der Krankenhausversorgung die Einführung von Vorhaltepauschalen für notwendige Krankenhäuser der Grundversorgung, eine differenzierte Vergütung nach Versorgungsstufen und eine Reform der Fallpauschalenvergütung. Auch sollten Behandlungen, die sowohl stationär als auch ambulant erfolgen könnten, gleich vergütet werden. Das würde zwar anfangs größere Kosten verursachen, aber mittelfristig durch die Ausweitung der ambulanten Versorgung Ressourcen im stationären Bereich freisetzen, zum Beispiel bei den Pflegekräften.

In vielen Teilbereichen der Gesundheitsversorgung besteht viel Handlungsbedarf, wie Moderator Florian Staeck von der Ärztezeitung bei der Diskussionsrunde mit den Bundetagsabgeordneten Michael Hennrich (CDU/CSU), Heike Baehrens (SPD), Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Pascal Kober (FDP) und Harald Weinberg (DIE LINKE) herausarbeitete.

Insbesondere die Pflege stand als Thema im Fokus der Diskutanten. Wie soll die Pflegeversicherung ausgestaltet werden, um den hohen Kostendruck für stationäre, aber auch ambulante Pflege für Betroffene zu mindern? Biggi Bender von der B 52-Verbändekooperation forderte einen höheren Zuschuss, um den Eigenanteil für Pflegebedürftige „in Höhe und Dauer“ zu begrenzen. In der ambulanten Pflege dürfe nicht vergessen werden: Menschen, die zu Hause gepflegt würden, seien derzeit finanziell benachteiligt, da für sie aktuell kein Zuschuss vorgesehen sei. Bei der Frage, mit welchen Maßnahmen mehr Pflegekräfte vor allem für die Langzeitpflege gewonnen werden können, zeigte die Diskussion, dass grundlegende Veränderungen, beispielsweise bei den Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte, notwendig sein werden.

Ein weiteres „Dauerthema“ ist die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Hier schlug Professor Schreyögg vor, bei einer Weiterentwicklung der Dateninfrastruktur und der elektronischen Patientenakte alle Leistungserbringer einzubinden und der Wissenschaft einfacheren Zugang zu Versorgungsdaten zu ermöglichen, indem administrative Hürden bei der Datennutzung abgebaut würden. Chancen sieht der Wissenschaftler in den digitalen Gesundheitsanwendungen (Digas). Auch Biggi Bender als Vertreterin der Krankenkassen setzt durchaus Hoffnung in diese Apps, die allerdings bisher nicht ausreichend überprüft würden. Sie forderte ein der Arzneimittelprüfung vergleichbares Verfahren zur Beurteilung des Nutzens und in der Folge auch der Preisgestaltung.

Die Diskussion kann auf dem YouTube-Kanal der B 52-Verbändekooperation angeschaut werden: Aufzeichnung der gesundheitspolitischen Veranstaltung der B 52-Verbändekooperation am 21.07.2021

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