Di­gi­ta­le Me­di­en na­gen an Sport­lust und Kon­zen­tra­ti­on

Viele Kinder und Jugendliche verlieren durch die intensive Nutzung digitaler Medien die Lust auf Sport und Bewegung. Auch die Konzentrationsfähigkeit schwindet, verdeutlicht eine Umfrage der Krankenkasse KNAPPSCHAFT.

Spiele, Apps, Hörbücher – Heranwachsende können sich ein Leben ohne digitale Medien kaum vorstellen und auch jüngere Kinder nutzen zunehmend Handys und Tablets. Doch der Konsum hat Schattenseiten. Die meisten Eltern bemerken bei ihrem Nachwuchs  nachlassende Konzentration und weniger Begeisterung für Sport und Spiele, wie eine Studie im Auftrag der KNAPPSCHAFT zeigt.

Welchen Einfluss hat der mediale Konsum auf die Gesundheit und das Sozialverhalten ihrer Kinder? fragte das Berliner Meinungsforschungsunternehmen Civey in einer bundesweiten, repräsentativen Umfrage im Auftrag der KNAPPSCHAFT 2000 Eltern. Ergebnis: Gut 36 Prozent gaben an, dass beim Nachwuchs ein geringeres Interesse an sportlichen Aktivitäten oder Spielen Sinn mit anderen Kindern oder allein besteht. Circa 35 Prozent der Befragten bemerkten eine schlechtere Konzentrationsfähigkeit. In Hessen stellten sogar 38,3 Prozent der Eltern fest, dass mit dem Handykonsum die Lust auf Sport und Spiel gesunken ist. In Thüringen sind es 36,4 Prozent.

Auswirkungen sind schon im frühesten Alter festzustellen. „Bei zwei- bis fünfjährigen Kindern, die Medien mehr als 30 Minuten täglich nutzen, sind vermehrt Sprachentwicklungsstörungen, Unruhe, motorische Hyperaktivität, Ablenkbarkeit und Konzentrationsstörungen festzustellen“, weiß Dr. Marion Kolb, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie.

Die Tagesklinik-Leiterin der Bergmannsheil- und Kinderklinik Buer in Gelsenkirchen sieht anhand diverser Studienergebnisse einen Zusammenhang „zwischen intensiver Mediennutzung und Entwicklungsstörungen von Kindern“. Sogar der übermäßige passive Konsum von Medien - ein im Hintergrund laufender Fernseher – „wirkt sich negativ aus, da Kleinkinder von ihrem kindlichen Spiel und sozialen Interaktionen abgelenkt werden“, ergänzt die Expertin der KNAPPSCHAFT.

Denn weiteren Umfrageergebnissen zufolge beobachten knapp 20 Prozent der Eltern Schlafprobleme bei Nachwuchs. „Übermäßiger Medienkonsum kann Einschlafstörungen, Schläfrigkeit am Tag oder verkürzter Schlafdauer auslösen“, bestätigt die Fachärztin:  „Bereits bei Säuglingen gibt es einen Zusammenhang bezüglich Fütter- und Einschlafstörungen, wenn die primäre Bezugsperson während der Betreuung parallel digitale Medien nutzt“, ergänzt Dr. Marion Kolb.

Seltener erkennen die befragten Eltern einen Einfluss der intensiven Mediennutzung auf das Gewicht ihrer Kinder. 8,3 Prozent bundesweit – in Hessen mit 9,6 Prozent etwas mehr - gaben an, bei ihren Kindern eine Gewichtsveränderung beobachtet zu haben. KNAPPSCHAFT-Expertin Dr. Kolb warnt auch hier vor körperlichen Folgen. „Studien bei 8-13-Jährigen haben ergeben, dass bei täglichem Medienkonsum von mehr als 60 Minuten pro Tag vermehrt Süßigkeiten und Süßgetränke konsumiert werden, was zu Übergewicht führen kann.“ Andere Jugendliche vernachlässigten dagegen ihre Bedürfnisse wie Hunger, Durst oder Hygiene, so dass manche bei exzessiver Mediennutzung auch abnähmen.

Ab welchem Alter sollten Kinder  auf  Handy oder Tablet spielen dürfen?

Bundesweit vertreten bei der Umfrage mehr als die Hälfte aller Eltern (55,3 Prozent) die Meinung, dass Spiele auf dem Tablet/Handy nicht vor dem 6. Lebensjahr genutzt werden sollten. Rund 25 Prozent wollen ihren Kindern die Nutzung sogar erst ab einem Alter von neun bis zwölf Jahren erlauben, in Thüringen vertreten sogar 40 Prozent der Befragten diese Position. Umgekehrt ermöglichen immerhin zwanzig Prozent der Eltern in Hessen und Thüringen ihren Kindern die Nutzung im Alter von drei bis fünf Jahren.

„Die Weichen für digitalen Medienkonsum werden im Vorschulalter gestellt, in dem eine selbstreflektierte Nutzung noch nicht möglich ist“, ergänzt Dr. Kolb und mahnt: „Unter zwei Jahren sollte keine selbständige Mediennutzung erfolgen. Die täglichen Medienzeiten sollten von den Eltern klar begrenzt werden. Richtwerte für Sieben- bis Zehnjährige sind 45 Minuten, für Elf- bis 13-Jährige 60 Minuten, ab 14 Jahre 90 Minuten.“

Hinweise für einen schädlichen oder abhängigen Medienkonsum liegen vor, wenn die Mediennutzung die motorische, sprachliche oder sozio-emotionale Entwicklung des Kindes beeinträchtigt. Gleiches gilt, wenn körperliche Probleme wie Kopfschmerzen und Schlafstörungen entstehen oder bei bestehenden psychischen Problemen (ADHS, Depression, Ängste) der intensive Medienkonsum zum Lösungsansatz wird. Dann sollten Familien sich dringend professionelle Hilfe suchen.“

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