Wenn Men­ta­li­tät über den Sieg ent­schei­det

Fußballtraining wird immer vielfältiger und anspruchsvoller. Weil über den Erfolg oft nicht nur Technik und Fitness entscheiden, wird bis in den Amateurbereich mehr und mehr Augenmerk auf die mentale Verfassung der Akteure gelegt, weiß Sportmediziner und KNAPPSCHAFT-Experte Dr. Markus Bruckhaus-Walter.

Ein Fußballspiel wird nicht selten im Kopf entschieden, siegreiche Teams für ihre Mentalität gerühmt. Warum ist neben der Physis auch die Psyche so wichtig?

Markus Bruckhaus-Walter: Mental starke Mannschaften verstehen es, ungeachtet aller  Rahmenbedingungen stets die volle Leistung abzurufen. Wir beobachten ja immer wieder, dass hoch motivierte Teams höherklassige Mannschaften bezwingen. Wenn der gestürzte Favorit dann die Niederlage zu erklären versucht, wird vielfach angeführt, die Einstellung habe nicht gestimmt. 

Wie definiert oder erkennt man ein Trainingsprogramm, das die Mentalität schult ?

Markus Bruckhaus-Walter: Generell ist Mentaltraining ein Workout für die Psyche. Es zielt darauf ab, Wettkampfroutine zu entwickeln, Blockaden abzubauen, Ängste zu nehmen und in schwierigen Situationen Mut zu entwickeln. Mit regelmäßigem Training fällt es Fußballern leichter, vor der Partie ruhig zu bleiben oder  bei einem Rückstand nicht aufzugeben und aus Niederlagen zu lernen.

Gibt es spezielle Übungen, die Mentalität zu fördern?    

Markus Bruckhaus-Walter: Um die Leistungsfähigkeit zu fördern, werden Gehirn und Nervensystem als zentrale Elemente der Bewegungssteuerung vertiefend ins Training einbezogen. Forschungen zur Sportpsychologie haben gezeigt, dass geistige Streckübungen Fitness und Einstellung verbessern. Durch Visualisierung, Autosuggestion und andere Techniken werden im Gehirn neue synaptische Verbindungen geschaffen, die es dem Spieler ermöglichen, im richtigen Moment sein volles Potenzial abzurufen.

Denken wird  im Fußball allgemein als zögerlich oder hinderlich empfunden. Wie kann man den Prozess  beschleunigen oder automatisieren ?

Markus Bruckhaus-Walter: Tatsächlich entscheiden beim Fußballspiel Schnelligkeit, Flexibilität und Kreativität. Das Gehirn steuert den Körper und damit jede einzelne Bewegung des Spielers, der in kürzester Zeit und auf engem Raum Entscheidung treffen muss:  Wen spiele ich an?  Dribbling oder Torabschluss? Mentales Training ist eine wichtige Stütze, um Fähigkeit und Entscheidungsfindung zu stärken.

Welche Methoden lassen sich im Training effektiv nutzen?

Markus Bruckhaus-Walter: Die Technik wird im sogenannten Bewegungsgedächtnis gespeichert.  Es gibt die unterschiedlichsten Methoden, um die Bewegungsabläufe besser abzurufen und zu perfektionieren. Mit speziellen Trainingsübungen und kognitiven Herausforderungen wird das Gehirn aktiviert und so neue synaptische Verbindungen geschaffen. Neuroplastizität - so der wissenschaftliche Begriff -   beschreibt die Fähigkeit des Gehirns, sich kontinuierlich zu verändern und neuen Reizen anzupassen.

Bewegungsabläufe lassen sich mit Übungen perfektionieren. Wie lässt sich die geistige Flexibilität steigern ?

Markus Bruckhaus-Walter: Mit verschiedenen Methoden werden im Mentaltraining Augen, Gleichgewicht, Körperwahrnehmung oder verschiedene Gehirnareale getestet und stimuliert. Wie bei Artisten werden beispielsweise Jonglierbälle oder Slackline eingesetzt. Mitunter dient das Training auch dazu, falsche Bewegungsmuster aus den Köpfen zu kriegen und die richtigen Abläufe zurück ins Gedächtnis rufen.

Was ist mit den psychologischen Komponenten? Wie schafft man es, dass sich Spieler und Teams maximal auf den Erfolg fokussieren?

Markus Bruckhaus-Walter: Mentaltraining bedeutet auch, die eigenen Fähigkeiten zu reflektieren, an den Schwächen zu arbeiten und die Stärken zu fördern. Selbstgespräche sind mächtige Werkzeuge, um Leistungsprozesse zu optimieren. Optimale Mentalität heißt, sich total fokussieren zu können und Abläufe bis zur Perfektion einzustudieren – im Idealfall alle irritierenden oder ablenkenden Begleitumstände auszublenden.

Auch Teambuilding gilt als wichtiger Erfolgsfaktor. 

 Markus Bruckhaus-Walter: Selbstvertrauen und Optimismus sind wichtige Faktoren des mentalen Trainings. Um Teambuilding zu fördern, schauen Mannschaft beispielsweise gemeinsam Videoaufzeichnungen von wichtigen Siegen. Die Erinnerung an gemeinsame Erfolgserlebnisse kann sich später auf dem Platz auswirken und etwa nach einem Rückstand den Glauben stärken, das Spiel drehen zu können. 

 Mentaltraining soll auch bei Verletzungen helfen. Was kann es da bewirken?

Markus Bruckhaus-Walter: Mentalcoaching kann einerseits Verletzungen vorbeugen sowie den Heilungsprozess fördern bzw. beschleunigen. Eine schwere Verletzung ist für viele Spieler belastend. Sie gehören plötzlich nicht mehr zum Team, der Stammplatz ist weg, der Stellenwert sinkt. In solchen Fällen hilft der Psychotherapeut oft mehr als ein MRT.

Sollten bei einem verletzten Spieler die Gedanken an die schnelle Genesung gestärkt oder besser die  Erwartungshaltungen  heruntergeschraubt werden?

Markus Bruckhaus-Walter: Das kommt drauf an. Während einer längeren Rehabilitationsphase dient das Mentaltraining oft dazu, sich auf kleinere Schritte zu fokussieren. Nach einem Kreuzbandriss benötigt der Fußballer ein klar definiertes Ziel. Das können etwa die ersten Schritte mit Krücken sein. Um im Reha-Prozess weniger Strukturen zu verlieren, wird oft mit heilenden Bildern gearbeitet. Meditation und Autosuggestion können die Selbstheilungskräfte stärken, positive Gedanken und Emotionen einen guten Einfluss bewirken. Hormone vermögen die Atmung und Durchblutung zu regulieren oder die Muskelspannung zu verbessern.

Zum Abschluss: Wie sehr ist der Trainer als Mentalcoach gefragt?

Markus Bruckhaus-Walter: Gerade in dieser Position ist Sportpsychologie entscheidend. Ein schlecht geschulter Trainer kann die individuellen Stärken der Spieler vielleicht gar nicht richtig erkennen und entsprechend fördern. Der Trainer muss als Mentor das Vertrauen der Spieler gewinnen. Wenn er ihnen Sicherheit vermittelt, steigt deren Selbstbewusstsein. Sportpsychologie vermag ein großes Steigerungspotenzial zu entfalten. Nicht umsonst wird der Kabinenansprache viel Bedeutung beigemessen.

Vielen Dank für das Gespräch, Markus Bruckhaus-Walter.

 

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