Knappschaft-Bahn-See | KNAPPSCHAFT: Morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich nicht ohne Erwerbsminderungsmerkmal

KNAPP­SCHAFT: Mor­bi­di­täts­ori­en­tier­ter Ri­si­kostruk­tur­aus­gleich nicht oh­ne Er­werbs­min­de­rungs­merk­mal

„Vermeidung von Risikoselektion als eine der Voraussetzungen für gleiche Wettbewerbsbedingungen“ – so beschreibt der aktuelle Entwurf zum Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz die Ziele des Risikostrukturausgleichs.

Durch die Verwirklichung dieser Ziele sollen Krankenkassen mit unterschiedlichen Versichertenstrukturen im Hinblick auf Einkommen und Morbidität in die Lage versetzt werden, miteinander in einem fairen Wettbewerb um die beste Versorgung der Versicherten zu treten.

Um diesen fairen Wettbewerb zwischen den Krankenkassen zu sichern, sieht der Gesetzesentwurf einige Änderungen in der Systematik des Risikostrukturausgleiches vor.

Die KNAPPSCHAFT begrüßt die Anpassungen ausdrücklich, da diese das Ziel des fairen Wettbewerbs um die beste Versorgung unterstützen (so zum Beispiel die Einführung eines Vollmodells und der Regionalkomponente).

Kritisch sieht die KNAPPSCHAFT allerdings die Streichung des Merkmals der Erwerbsminderung, da dieses eine tragende Säule der Verteilungsgerechtigkeit in der RSA-Systematik darstellt. Es dient zudem der Vermeidung von Risikoselektion und Wettbewerbsverzerrung.

Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesversicherungsamt rät nachdrücklich von der ersatzlosenStreichung des Erwerbsminderungsmerkmals ab (Sondergutachten 2017, S.
XXXIII). Zu dieser Empfehlung kommt der Wissenschaftliche Beirat aufgrund folgender Überlegungen:

  • Die Streichung des Merkmals führt für die Krankenkassen pro Erwerbsminderungsrentner zu einer vorhersagbaren Unterdeckung in Höhe von 1.100 Euro.
  • Die Streichung des Kriteriums führt im RSA-System zu einer Fehlverteilung in Höhe von 116 Mio. Euro.
  • Bei einer Umverteilung der Zuschläge aus den Erwerbsminderungsgruppen kommt es im Ergebnis auch zu einer Absenkung der Zuweisungen bei den Alters- und Geschlechtsgruppen. Durch die Absenkung werden somit auch Gruppen negativ betroffen, die derzeit keinerlei Berührungspunkte zum Erwerbsminderungsmerkmal aufweisen.
  • Zudem führt die Streichung des Kriteriums dazu, dass bei rund 75 Prozent der Versicherten mit Erwerbsminderungsstatus die Krankenkassen schlechter gestellt werden als im Status quo.

Im Ergebnis führt die Streichung des Kriteriums der Erwerbsminderung zu hohen Risikoselektionsanreizen gegenüber Erwerbsminderungsrentnern und wirkt wettbewerbsverzerrend. Durch die Streichung des Merkmals sind insbesondere die
Versorgerkassen - KNAPPSCHAFT und AOK - negativ betroffen.

Zudem stellt das Merkmal der Erwerbsminderung, das durch die gesetzliche Rentenversicherung festgestellt wird, ein manipulationssicheres Differenzierungskriterium dar.

Kritiker des Kriteriums führen an, dass die Erwerbsminderung „ein sog. Surrogatparameter einer indirekten Morbiditätsmessung ist, der in den Zeiten der direkten Morbiditätsorientierung seine Berechtigung verloren hat.“ Auch dieser Argumentation erteilt der Wissenschaftliche Beirat eine klare Absage. Er führt aus, „dass das Klassifikationssystem an vielen Stellen Surrogate verwendet, weil keine näheren Informationen zur Verfügung stehen.“ So sind zum Beispiel Alter und Geschlecht sowie auch jede Diagnose Surrogate dafür, dass mit diesen Merkmalen im Folgejahr ein bestimmtes Kostenrisiko einhergeht.