Jah­res­ar­beits­ent­gelt­gren­ze oder auch: die Ver­si­che­rungs­pflicht­gren­ze

Wer viel ver­dient hat die Qual der Wahl

Die Versicherungspflicht ist das tragende Prinzip der Sozialversicherung in Deutschland. Per Gesetz wird bestimmt, wer versicherungspflichtig ist. Arbeitnehmer sind in der Regel Pflichtmitglieder in einer gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) - zum Beispiel bei der KNAPPSCHAFT. Sie können dort auch als freiwilliges Mitglied versichert sein. Nämlich dann, wenn ihr Gehalt über der Jahresarbeitsentgeltgrenze liegt. Diese Versicherungspflichtgrenze wird jedes Jahr zum 1. Januar neu festgelegt.

Wer mit seinem Gehalt über der Versicherungspflichtgrenze liegt, ist nicht mehr pflichtversichert. Es besteht dann die Möglichkeit, als freiwilliges Mitglied in der GKV zu bleiben oder Mitglied in einer privaten Krankenversicherung zu werden.

Es gibt zwei unterschiedliche Jahresarbeitsentgeltgrenzen:

Die besondere Jahresarbeitsentgeltgrenze gilt für Arbeitnehmer, die am 31. Dezember 2002 die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten hatten, somit versicherungsfrei wurden und sich seitdem mit einer privaten Krankenversicherung absichern. Diese Grenze bleibt für den Arbeitnehmer auch dann gültig, wenn er den Arbeitgeber wechselt, zeitweise gar nicht versichert ist oder zwischenzeitlich krankenversicherungspflichtig werden sollte.

Die allgemeine Jahresarbeitsentgeltgrenze gilt für alle anderen Arbeitnehmer.

Wis­sens­wer­tes zur Ver­si­che­rungs­pflicht­gren­ze und zum Jah­res­ar­beits­ent­gelt

Das Jah­res­ar­beits­ent­gelt

Vom regelmäßigen Jahresarbeitsentgelt hängt es ab, ob ein Arbeitnehmer Pflichtbeiträge zur Kranken- und somit auch der Pflegeversicherung zahlen muss. Welche Entgelte sind maßgeblich und spielen bei der Berechnung eine Rolle?

Berücksichtigt werden:

  • Laufendes Arbeitsentgelt, das laufend oder einmalig gezahlt wird
  • Einmalzahlungen, wenn sie mit hinreichender Sicherheit erwartet werden (z. B. Weihnachts- oder Urlaubsgelder)
  • Vergütungen für vertraglich vorgesehenen Bereitschaftsdienst
  • feste Pauschbeträge, die als Abgeltung für Überstunden regelmäßig zum laufenden Arbeitsentgelt gezahlt werden

Bei Seeleuten wird nicht das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt, sondern die von der BG Verkehr festgesetzte monatliche Durchschnittsheuer berücksichtigt.

Nicht berücksichtigt werden:

  • Vergütungen für Überstunden  - sie gehören zu den unregelmäßigen Arbeitsentgeltbestandteilen
  • Zuschläge, die mit Rücksicht auf den Familienstand gezahlt werden

Die Be­rech­nung

So wird das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt berechnet: Die aktuellen Monatsbezüge werden mit 12 multipliziert. Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer regelmäßig erhält, wird hinzugerechnet.

Bei Arbeitnehmern, die einen Stundenlohn beziehen, wird der Monatswert so ermittelt:

Stundenlohn x individuelle wöchentliche Arbeitszeit x 13 : 3.

Bei schwankenden Bezügen muss das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt geschätzt werden. Erweist sich die Schätzung im Nachhinein als unzutreffend, ist eine Korrektur nur für die Zukunft  - nicht für die Vergangenheit - möglich.


Wann ist die Höhe des regelmäßigen Jahresarbeitsentgelts zu ermitteln?
  • zu Beginn des Beschäftigungsverhältnisses
  • bei jeder Änderung des Arbeitsentgelts
  • bei einem Arbeitgeberwechsel
  • nach Wiederaufnahme der Beschäftigung, die durch die Inanspruchnahme der Elternzeit unterbrochen wurde
  • bei der jährlichen Anpassung der Jahresarbeitsentgeltgrenze

Arbeitsentgelt oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze

Wird das Arbeitsentgelt (gegebenenfalls auch rückwirkend) erhöht, endet die Kranken- und Pflegeversicherungspflicht mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch auf Zahlung des erhöhten Arbeitsentgelts entstanden ist und die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten wurde. Des Weiteren wird vorausgesetzt, dass die Jahresarbeitsentgeltgrenze des folgenden Jahres voraussichtlich überschritten wird.

Arbeitnehmer, die ein neues Beschäftigungsverhältnis aufnehmen und in dieser neuen Beschäftigung ein Arbeitsentgelt oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze erzielen, genießen sofort Versicherungsfreiheit und nicht erst mit dem Ablauf des Kalenderjahres (§ 6 Absatz 4 SGB V findet in diesen Fällen keine Anwendung).

Ar­beit­neh­mer mit meh­re­ren Be­schäf­ti­gun­gen

Bei Arbeitnehmern mit mehreren Beschäftigungen, wird für die Beurteilung der Versicherungspflicht das Arbeitsentgelt aus allen Beschäftigungen zusammengerechnet. Das gilt auch für geringfügige Beschäftigungen, wenn durch die Mehrfachbeschäftigung Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung besteht.

Das Arbeitsentgelt aus einer geringfügigen, in der Kranken- und Pflegeversicherung nicht versicherungspflichtigen Beschäftigung, wird nicht angerechnet.

Arbeitnehmer, die aufgrund mehrerer Beschäftigungen die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschreiten, werden auch in der Zweitbeschäftigung zunächst versicherungspflichtig. Die Versicherungspflicht endet in beiden Beschäftigungen erst mit dem Ablauf des Kalenderjahres. Wichtig: Die Arbeitsentgelte aus beiden Beschäftigungen müssen auch die vom Beginn des nächsten Kalenderjahres an geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze überschreiten.

Stu­die­ren­de und Aus­zu­bil­den­de

Wer nach einer versicherungsfreien Tätigkeit als Werkstudent nach Beendigung seines Studiums eine Beschäftigung mit einem Jahresarbeitsentgelt oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze beim gleichen Arbeitgeber aufnimmt, ist von Beginn der Beschäftigung an versicherungsfrei. Es besteht ein einmaliges Wahlrecht zur gesetzlichen Krankenversicherung. Die Beitrittserklärung zur freiwilligen Krankenversicherung muss jedoch innerhalb von 3 Monaten nach dem Beschäftigungsbeginn erfolgen. Versicherungsfreiheit besteht auch für Personen, die nach ihrem Volontariat oder ihrer Berufsausbildung eine Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber aufnehmen.

Bei Auszubildenden, die von ihrem Ausbildungsbetrieb übernommen werden, endet die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung mit Ablauf des Jahres der Beschäftigungsaufnahme. Wichtig: Die Jahresarbeitsentgeltgrenze des Folgejahres muss ebenfalls überschritten werden.

Die Jah­res­ar­beits­ent­gelt­gren­ze wird un­ter­schrit­ten

Und wenn die Jahresarbeitsentgeltgrenze im Laufe eines Kalenderjahres unterschritten wird? Dann tritt die Versicherungspflicht mit dem Zeitpunkt des Unterschreitens ein und nicht erst mit dem Beginn des folgenden Kalenderjahres.

Wichtig: Wenn im Falle von Kurzarbeit oder der stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben die Jahresarbeitsentgeltgrenze vorübergehend unterschritten wird, tritt keine Versicherungspflicht ein.

Unter bestimmten Voraussetzungen haben Arbeitnehmer jedoch die Möglichkeit, sich von der Krankenversicherungspflicht befreien zu lassen (§ 8 Absatz 1 Nummer 1 SGB V).

Vor­über­ge­hen­de Ein­bu­ßen beim Ar­beits­ent­gelt

Es gibt unvorhersehbare Situationen und Umstände, die dazu führen, dass es für einen Arbeitnehmer zu Einbußen beim Arbeitsentgelt kommt. Dann stellt sich auch die Frage nach der Versicherungspflicht bzw. Versicherungsfreiheit. 

Diese Zeiten, die "Unterbrechungstatbestände" genannt werden, garantieren dem Arbeitnehmer weiterhin die bereits festgestellte Versicherungsfreiheit:

  • Zeiten der Arbeitsunfähigkeit nach Ablauf der Entgeltfortzahlung (unabhängig davon, ob Krankengeld oder Krankentagegeld gezahlt wird)
  • Zeiten des Bezugs von Verletztengeld, Übergangsgeld oder Versorgungskrankengeld
  • Zeiten des Bezugs von Mutterschaftsgeld
  • Zeiten des Bezugs von Kurzarbeitergeld mit Ausnahme des Transferkurzarbeitergeldes nach § 111 SGB III
  • Zeiten, in denen das Beschäftigungsverhältnis ohne Entgeltzahlung für längstens einen Monat im Sinne des § 7 Absatz 3 Satz 1 SGB IV als fortbestehend gilt
  • Zeiten, in denen sich der Arbeitnehmer rechtmäßig im Arbeitskampf befand
  • Zeiten der Teilnahme an einer Eignungsübung

Dies gilt nicht, sofern die Jahresarbeitsentgeltgrenze auf Dauer (z. B. bei Absenkung des Arbeitsentgelts aufgrund von Arbeitszeitreduzierung) künftig nicht mehr überschritten wird.

Wichtig:

Bei Arbeitnehmern, die Elterngeld bzw. Erziehungsgeld erhalten oder in Elternzeit, Pflegezeit oder Familienpflegezeit sind, wird die Versicherungsfreiheit geprüft. Es wird erneut eine vorausschauende Betrachtung nach der Wiederaufnahme der Beschäftigung notwendig.

Die Dauer der Elternzeit, Pflegezeit oder Familienpflegezeit spielt bei der Betrachtung keine Rolle. Wird während der genannten Zeiten  eine Teilzeitbeschäftigung ausgeübt, ist diese bei der vorausschauenden Betrachtung zu berücksichtigen, außerdem besteht die Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht (§ 8 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 SGB V).

En­de der Mit­glied­schaft

Wer die Jahresarbeitsentgeltgrenze und damit die Versicherungspflichtgrenze überschreitet, ist versicherungsfrei. Die Versicherungspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung entfällt. Die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung endet nicht automatisch. Der Arbeitnehmer kann als freiwilliges Mitglied in der GKV bleiben.

Der Arbeitnehmer muss innerhalb von zwei Wochen nach Hinweis durch die Krankenkasse seinen Austritt erklären. Zudem muss er nachweisen, dass er bei einer privaten Versicherung für den Krankheitsfall abgesichert ist. Andernfalls setzt sich die Mitgliedschaft fort.

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